Franz Hohler: "Wie ich lebe"



Franz Hohler stellt in seiner Erzählung "Wie ich lebe" das wirre Durcheinander des Menschen dar, wenn er Tiere als lebende und fühlende Wesen betrachtet.

Franz Hohler: Wie ich lebe

Seit ein paar Tagen bin ich in Basel. Ich bewohne hier ein Apartmenthaus, aus dem man direkt auf einen Platz hinunter sieht, welcher fast ohne Autoverkehr ist. In der Mitte steht ein großer Brunnen, den ich nachts plätschern höre. Gestern habe ich von meinem Fenster aus gesehen, wie tote Schweine aus einem Lieferwagen in eine Metzgerei gebracht wurden. Die Metzgerei verfügt über eine Hängeschiene, der Lieferwagen ebenfalls, die beiden Schienen werden zusammen gekoppelt, und nun gleitet ein Schwein nach dem anderen , mit einem Fleischhaken an dieser Schiene hängend, ins Innere der Metzgerei. 

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Heute Morgen habe ich bei einer Marktfrau, welche ihren Stand auf dem Platz neben dem Brunnen aufgestellt hatte, ein Dorschfilet gekauft. Der Frau, die vor mir zwei Dorschfilets kaufte, war, seit sie die Marktfrau zum letzten Mal gesehen hatte, ihr Mann gesorben, 71 war er, und war nur rasch ein Glas Wasser holen gegangen und tot zusammen gebrochen, der Arzt sei auch ganz baff gewesen.

Der Bub der Marktfrau, wahrscheinlich ihr Enkel, ruft, schöne Forellen haben wir auch noch, und stochert mit einem Fangnetz im Zuber, in dem sie herumschwimmen.

Ich bleibe aber bei meinem Dorsch, der ist schon tot und hat keine Gräte.


Quellen

Hohler, Franz: "Wie ich lebe" Aus: "Ein eigenartiger Tag" Lesebuch Franz Hohler. Darmstadt. Luchterhand 1983