Ethisch und nachhaltig leben
von Brigitte Prem
"Meistens sehen wir nicht zuerst und definieren dann, wir definieren zuerst, bevor wir sehen. Aus der großen, blühenden, summenden, verwirrenden Welt picken wir heraus, was unsere Kultur schon für uns definiert hat, und wir neigen dazu, nur das zu bemerken, was wir, in Form von Stereotypen, die uns unsere Kultur vorgegeben hat, verinnerlicht haben."  1)
Unsere Gesprächskultur ist kritisch. Unsere Sprachkultur ist voller Versatzstücke, wie man kritisieren kann, wie man feststellen kann, was falsch ist. Selten wird darüber gesprochen, was zu tun ist. Selten werden Leistungen gelobt. Oder wissen Sie, wer die Hochwasserleitung aus der Steiermark nach Wien geführt hat? Oder, wenn Sie nicht Wiener sind, wer Sie mit Wasser versorgt?
Wenn Sie also befolgen, was dieses Buch vorschlägt, werden Sie nicht als Held gefeiert, höchstens, wenn Sie es dann auch verstehen, dies an die große Glocke zu hängen. Ja, dann haben Sie sogar Breitenwirkung. Dann sind Sie ein Held.  Aber dazu versteht sich dieses Buch nicht.
"Die heutige Zeit hat keine Werte", sagen manche. Ich sage, das ist falsch. Wir haben so viele Werte, dass wir nicht alle  verwirklichen können.
"Sinn kann nicht gegeben, sondern muss gefunden werden" und „Sinn muss gefunden werden, kann nicht erzeugt werden“ und „Es ist keine Schande sein Ziel nicht zu erreichen, aber es ist eine Schande, kein Ziel zu haben!“, schreibt Viktor Frankl.
Das heißt, aus der Fülle sinnvoller Werte sollen wir, so wir das wollen, selbst heraussuchen, welche wir leben wollen.
Als ich 16 war, schrieb ich an Albert Schweitzer nach Lambarene. Ich schrieb ihm, wie sehr ich ihn bewundere, sein Einsatz für den Frieden als Pazifist, seine Ethik, die auch Ehrfurcht vor den Tieren einschloss, dass er nicht nur kritisiere, sondern in Lambarene seine Ziele praktisch umsetze und aus dieser Erfahrung wieder praktisch argumentiere, dass er sein Talent, Orgel spielen zu können, einsetze, um Geld für sein Projekt zu bekommen. Ich schrieb, dass ich traurig sei, seine Größe nie erreichen zu können. Er schrieb zurück: "Erkenne den Kreis, in dem du wirken kannst."
Seitdem versuche ich, meinen Kreis zu erkennen.
Mit 20 dachte ich, die Natur gäbe für einen normalen Menschen wie mich nur die Kraft, das eigene Leben zu meistern. Eine Berufsausbildung war abzuschließen und ein Partner zu finden.
Das Leben pendelte sich ein, und ich machte mich auf die Suche nach dem "Kreis, in dem ich wirken kann".
Ich lernte, dass man Werte vom Dunkel ins Helle zerren und Bescheid wissen muss, bevor man sie leben kann. Außerdem hat jedes Ding hat zwei Seiten. "Was dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall."
Manches, das ich in diesem Buch beschreibe, lebe ich, manches ist mir zu schwer, zu nebulös. Aber es ist gut, die Sterne zu sehen.
Albert Schweitzer lebte viel, aber seine Ethik gleicht oft Sternen:
"Die Notwendigkeit, Leben zu vernichten und Leben zu schädigen, ist mir auferlegt. Meine Nahrung gewinne ich durch die Vernichtung von Pflanzen und Tieren", sagt er. Doch trotzdem: "Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben erkennt keine relative Ethik an. Als gut lässt sie nur Erhaltung und Förderung von Leben gelten. Alles Vernichten und Schädigen von Leben, unter welchen Umständen es auch erfolgen mag, bezeichnet sie als böse."2)
Damit hat der  Mensch dauernd ein schlechtes Gewissen.
Ich beschränke mich in diesem Buch auf sechs Themen:  Klimaschutz, Naturschutz, Vermeidung von Umweltverschmutzung, Tierschutz, Ernährung, verantwortungsbewusster Konsum.
Mein Ziel ist es, Ihnen die Situation zu umreißen und dann Vorschläge zu machen, was Sie zu dem jeweilgen Thema tun können, "um die Welt zu verbessern", eben nicht nur zu kritisieren, sondern selbst etwas zu tun. Ich kann Ihnen allerdings nicht ersparen, trotz meiner Definitionen, zuerst hinzusehen und dann zu definieren.
Am Beginn jedes Kapitels finden Sie einen Quiz, mit dem Sie überprüfen können, wie viel Sie schon wissen.
Dann umreiße und erläutere ich das Problem und wer was tun kann oder tun muss. Flächendeckende Maßnahmen, die notwendig sind, können nicht von Einzelnen geleistet werden. Dazu liefere ich Ihnen viele Beispiele.
Am Ende des Kapitels finden Sie auf lustigen Zeichnungen, was "jeder" tun könnte. Aber Achtung: Überfordern Sie sich nicht! "Erkenne den Kreis...", "Schätze deine Kräfte ab – ein Schuft, der mehr gibt, als er hat."